Demenz und Demenzfrüherkennung
Obwohl die Demenz auch jüngere Patienten betreffen kann, ist sie vorwiegend eine Erkrankung des höheren Lebensalters. So ist im Alter von 60-65 Jahren 1 von 100 an einer Demenz erkrankt, bei den über 90-Jährigen jeder Dritte. Aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung leben derzeit fast 1,8 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland, im Jahr 2050 werden es voraussichtlich 2,8 Millionen sein. Die möglichen Ursachen sind vielfältig, die häufigsten aber sind die Alzheimer Erkrankung, die vaskuläre Demenz (Demenz aufgrund von Durchblutungsstörungen) und Mischformen. Demenzerkrankungen bedeuten eine hohe Belastung für die Patienten und deren Angehörige. Neben der medizinischen Diagnostik und Therapie sind daher insbesondere auch unterstützende psychologische und sozialmedizinische Angebote von großer Bedeutung.
Manchen Betroffenen fallen selber Gedächtnisstörungen auf. Es fällt ihnen schwer, sich Namen von ihnen gut bekannten Personen zu merken, sie erinnern sich nicht an Situationen, die kurz zuvor stattgefunden haben oder verlegen Dinge, die sie nicht mehr wiederfinden. Auch können andere Hirnleistungsbereiche wie Aufmerksamkeit, Lernen, Orientierung, Urteilsvermögen und planendes Handeln (exekutive Funktionen), Sprache (z. B. Wortfindungsstörungen), Motorik und Fähigkeiten zum sozialen Austausch mit anderen (soziale Kognition) beeinträchtigt sein. Die Defizite schreiten mit der Zeit voran und beeinträchtigen Alltagsaktivitäten (z.B. Bewältigung von Postangelegenheiten, Kleidung anziehen, einfache Heimwerkerarbeiten) korrekt durchzuführen. Auch Schlafstörungen sind häufig. Manchmal sind es vor allem die Angehörigen, die diese Veränderungen bemerken. Sie berichten z.B., dass der/ die Betroffene den Herd angelassen hat, von verstorbenen Personen spricht, als wären diese noch lebendig oder immer wieder die gleichen Dinge fragt. Auch Persönlichkeitsveränderungen, Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes, Änderung der Gefühlslage (z.B. depressive Verstimmungen, Ängste) oder optische bzw. akustische Fehlwahrnehmungen (Halluzinationen) oder Realitätsverkennungen (z. B. das Gefühl, Dinge, die nicht wiedergefunden werden, sind gestohlen worden) kommen vor.
Bei den meisten Demenzformen dürfte eine Mischung aus genetischen und Umweltfaktoren die Ursache darstellen. Der größte Risikofaktor ist das Alter. Da Durchblutungsstörung des Gehirns die sogenannte vaskuläre Demenz bedingen können, ist es wichtig, die üblichen Gefäßrisikofaktoren (hoher Blutdruck, Blutzucker, Blutfettwerte, Übergewicht, Nikotin, Bewegungsmangel) gut zu kontrollieren. Außerdem wirkt ein geistig und sozial aktiver Lebensstil vorbeugend. Seltener ist die Demenz durch eine andere, behandelbare Grunderkrankung bedingt. Hierzu gehören unter anderem Stoffwechselstörungen, Infekte oder der sogenannte Normaldruckhydrocephalus (NPH, Druckerhöhung im Gehirn durch verminderten Abfluss des Nervenwassers).
Zunächst erfolgt eine genaue Erhebung der der Symptome und Verhaltensänderungen, der Krankenvorgeschichte sowie eine körperliche Untersuchung des Betroffenen. Meist ist es zudem nötig, die engsten Bezugspersonen zu befragen. Die übliche neurologisch-psychiatrische Untersuchung wird durch ausführliche Hirnleistungstestungen ergänzt. In der Regel wird das Gehirns mittels Computertomografie oder Magnetresonanztomografie dargestellt. Außerdem wird Blut und oft auch Nervenwasser abgenommen. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, potentiell behandelbare Demenzursachen auszuschließen bzw. die Diagnose einer Alzheimer-Demenz durch Bestimmung der sogenannten Degenerationsmarker zu erhärten. Sollte der V.a. einen NPH bestehen, kann durch Ablassen von etwa 30-50 ml Nervenwasser und anschließender Verlaufsuntersuchung die Diagnose gestellt bzw. verworfen werden. In unklaren Fällen kann eine nuklearmedizinische Untersuchung weiterhelfen. Hierbei wird der Hirnstoffwechsel durch eine radioaktiv markierte Substanz dargestellt. Bei einer Demenz ist dieser oft an bestimmten Stellen im Gehirn gemindert.
Der kleinere Anteil der Demenzformen ist ursächlich behandelbar. Z.B. kann eine Stoffwechselstörung wie eine Schilddrüsenfehlfunktion oder ein Vitamin-Mangel gezielt behandelt werden, ein regelmäßiger Nervenwasserablass beim NPH zu einer Stabilisierung bzw. Besserung der Gedächtnissymptomatik führen. Für den Großteil der Demenzen gibt es keine Heilung. Für die Alzheimer Demenz sind einzelne Medikamente zur Verbesserung der Denkfähigkeit und der Alltagsbewältigung zugelassen. Wichtig sind zudem Verfahren zur intellektuellen, körperlichen und sozialen Aktivierung z. B. durch Ergo-, Physiotherapie oder Logopädie. Begleitsymptome wie Schlafstörungen, Aggression, Depression, Angst oder psychotische Symptome können mit nicht-medikamentösen Maßnahmen (z.B. Verbesserung der Tagesstruktur, Schaffen einer beruhigenden Atmosphäre) und medikamentös behandelt werden. Wichtig ist auch eine Beratung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen.
Insbesondere bei behandelbaren Demenzform sollte ehestmöglich eine Diagnose erfolgen, da nur durch die korrekte Behandlung eine weitere Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten aufgehalten werden kann. Aber auch bei den nicht ursächlich behandelbaren Formen trägt eine frühe Diagnose dazu bei, Betroffene und Angehörige umfassend über die Erkrankung und mögliche Folgeprobleme zu informieren und die weitere Therapie und Versorgung zu planen.
An wen kann ich mich wenden?
Im Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen behandeln die Spezialist:innen der Klinik für Neurologie und Frührehabilitation, insbesondere bei Vorliegen von begleitenden neurologischen Erkrankungen (z. B. Schlaganfällen, Epilepsie oder Bewegungsstörungen wie Parkinson), und der Klinik für Seelische Gesundheit, insbesondere bei Vorliegen von psychischen Auffälligkeiten wie Gefühlsstörungen (Depression, Ängste, Aggressionen), Persönlichkeitsveränderungen, Fehlwahrnehmungen oder Realitätsverkennungen, die Demenz. Es besteht immer eine klinikübergreifende Zusammenarbeit bei der Behandlung von Menschen mit Demenz.
Es gibt die Möglichkeit der Untersuchung und Behandlung stationär in der Klinik nach Einweisung oder ambulant in der Praxis für Neurologie im Medizinischen Versorgungszentrum oder der Gedächtnissprechstunde in der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) im Medizinischen Versorgungszentrum nach Überweisung durch den Haus- oder Facharzt.