Epilepsie
Ein epileptischer Anfall entsteht, wenn zu viele Nervenzellen im Gehirn gleichzeitig elektrische Signale senden. In bestimmten Situationen, z.B. extrem hohes Fieber, bei Alkoholentzug oder einer starken Verschiebung der Blutsalze, können auch bei normalerweise Gesunden epileptische Anfälle auftreten. Von Epilepsie spricht man dann, wenn es mehrfach (mind. zweimal) unprovoziert zu solchen Anfällen kommt oder eine dauerhafte Erkrankung des Gehirns als Ursache des Anfalls vorliegt (z.B. Narbe nach einem Schlaganfall). Das Erscheinungsbild von epileptischen Anfällen kann sehr vielfältig sein, abhängig davon, in welchem Teil des Gehirns der Anfall entsteht und ob er sich weiter ausbreitet. Insbesondere wenn es zu einer Beeinträchtigung des Bewusstseins kommt, beeinträchtig die Erkrankung die Lebensqualität der Betroffenen, zumal sich hieraus Folgen für die Berufsausübung, Freizeitgestaltung und die Fahrtauglichkeit ergeben können. In der Regel endet ein epileptischer Anfall von allein nach Sekunden bzw. wenigen Minuten. Sollte dies nicht der Fall sein, liegt ein sogenannter „Status epilepticus“ vor. Dieser kann unter Umständen lebensbedrohlich sein und sollte eine sofortige Krankenhauseinweisung nach sich ziehen.
- Anfallsartiges Auftreten von Beschwerden
- Rhythmisches Zucken (Kloni) bzw. anhaltende (tonische) Anspannung von Muskeln (lokal oder am ganzen Körper), z.T. mit Zungenbiss und/oder Harnverlust
- Bewusstseinsverlust /-störungen
- Unangenehmes, schwer zu charakterisierendes, aus dem Bauchraum aufsteigendes Gefühl
- Meist als unangenehm empfundene Geruchs- oder Geschmacksempfindungen
- Plötzliche Sprach- oder Sehstörung
- Anfallsartige psychische Symptome wie Angst oder „déjà-vu“ (Eindruck, man habe eine gegenwärtige Situation früher schon einmal erlebt)
- gleichförmige Verhaltensweisen ohne erkennbaren Sinn, z.B. Nesteln, Schmatzen, Lautäußerungen
- Plötzlich auftretende, oft aufsteigende bzw. sich ausbreitende Sensiblitätsstörung
Man unterscheidet angeborene von erworbenen Epilepsieformen. Für eine angeborene Epilepsie sind häufig genetische Faktoren oder auch Fehlbildungen des Gehirns verantwortlich. Ursachen für erworbene Formen der Epilepsie sind z.B. Verletzungen des Gehirns, dementielle Entwicklungen, Schlaganfälle, Tumore und Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns. Nicht immer lässt sich jedoch die genaue Ursache eindeutig feststellen.
Das höhere Lebensalter (nach dem 65. Lebensjahr) ist mittlerweile der häufigste Zeitpunkt für das Neuauftreten einer Epilepsie. In dieser Gruppe sind Demenz und Schlaganfall die häufigsten Ursachen. Daher kann das Risiko für erworbene Formen z.B. durch eine Schlaganfallprophylaxe gesenkt werden. Bei manchen Arten der Epilepsie können die Anfälle durch Schlafmangel ausgelöst werden. Hier hilft ein geregelter Tagesablauf. Manche Medikamente, Drogen und Alkohol (bzw. der Entzug) senken die Krampfschwelle und sollten somit vermieden werden.
Die Diagnose der Epilepsie erfolgt durch Spezialist:innen für Neurologie. Am wichtigsten hierfür ist die genaueste Erhebung der Vorgeschichte inklusive detaillierter Beschreibung der bisher stattgehabten Anfälle (sogenannte Semiologie). Es wird daher empfohlen, jemanden zu der Untersuchung mitzunehmen, der den Anfall der Betroffenen miterlebt hat und die Situation von außen schildern kann. Außerdem untersucht das Fachpersonal die Betroffenen körperlich und nimmt ihnen eine Blutprobe ab. In der Folge wird häufig eine Magnetresonanztomografie (MRT) zur genauen Darstellung des Gehirns durchgeführt. Wichtig ist zudem das Elektroenzephalogramm (EEG), welches gegebenenfalls mehrfach durchgeführt und/ oder mit einem Schlafentzug kombiniert wird.
Sofern eine Epilepsie nach den oben genannten Kriterien diagnostiziert wird, besteht in der Regel die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung. Diese Therapie soll verhindern, dass epileptische Anfälle auftreten – das Ziel der Epilepsietherapie ist Anfallsfreiheit. In ca. 2/3 der Fälle gelingt dies mit dem ersten Medikament. Welche Medikamente geeignet sind, wie hoch sie dosiert werden und ob eventuell eine Kombinationstherapie durchgeführt werden muss, entscheiden die Spezialist:innnen nach der Diagnose in Absprache mit dem/ der Betroffenen.
Sollten Medikamente die Anfälle nicht verhindern, kommt in einigen Fällen eine Operation in Betracht. In dieser Situation muss vorerst festgestellt werden, welcher Hirnbereich die Anfälle auslöst. Dies ist Aufgabe spezialisierter Video-EEG-Monitoring-Einheiten, die in der Regel an Universitätskliniken und spezialisierten Epilepsiekliniken zur Verfügung stehen. Mittels der Operation kann bei einigen Patienten die Epilepsie geheilt oder die Anfallsfrequenz zumindest deutlich reduziert werden. Kommt solch eine Operation nicht infrage, können eventuell minimal invasive Verfahren (z.B. Vagusnervstimulation) diskutiert werden.
Nach einem erstmaligen epileptischen Anfall sollte ehestmöglich ein Neurologe bzw. eine Neurologin aufgesucht werden. Gerade bei einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall (Verlust des Bewusstseins und Zucken bzw. Verkrampfungen am ganzen Körper) wird der/ die Betroffene häufig durch den Notarzt in eine Notaufnahme gebracht. Bei einer bekannten Epilepsie sollten regelmäßige neurologische Kontrollen erfolgen. Idealerweise sollte der/ die Patient:in ein Anfallstagebuch führen, so dass gegebenenfalls eine Verbesserung der medikamentösen Therapie durchgeführt werden kann. Da die Selbstbeobachtung bei Anfällen mit Beeinträchtigungen des Bewusstseins oft nur eingeschränkt oder gar nicht möglich ist, bietet die Neurologie am Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen auch die minimal invasive Anlage eines Langzeit-EEGs zur Therapiekontrolle an.
An wen kann ich mich wenden?
Im Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen behandeln die Spezialist:innen der Klinik für Neurologie und Frührehabilitation Betroffene mit Epilepsie. Die Klinik bietet eine intensivierte therapeutische und medizinische Behandlung (Komplexbehandlung) an.
Betroffene können sich an die Praxis für Neurologie im Medizinischen Versorgungszentrum wenden.