Erkrankungen von peripheren Nerven und Muskeln
Die Neurologie beschäftigt sich auch mit Erkrankungen der Muskeln und des sogenannten peripheren Nervensystems. Periphere Nerven sind die Nervenfasern außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Die Krankheitsbilder und deren Ursachen sind sehr vielseitig und müssen jeweils individuell behandelt werden. Eine der häufigsten Erkrankungen des peripheren Nervensystems ist die sogenannte Polyneuropathie. Diese kann als „Sammeltopf“ verschiedener Erkrankungen angesehen werden, die alle zu einer Beeinträchtigung der Funktion der motorischen, sensiblen und/oder autonomen Nerven führen.
- Kribbeln, Brennen, Taubheit oder Stechen in den Füßen oder Händen
- Muskelschwäche, -schwund
- Krämpfe und Zuckungen der Muskeln
- Gangunsicherheit, insbesondere im Dunkeln und auf unebenem Untergrund
- Vermindertes Temperaturempfinden
- Schmerzlose Wunden an den Füßen und Fußsohlen
- Veränderungen des Nagelwachstums, der Körperbehaarung an Händen und Füßen und der Schweißproduktion
Die häufigste Ursache für Polyneuropathie ist die Zuckerkrankheit Diabetes mellitius. Circa jeder zweite Diabetiker entwickelt im Verlauf der Krankheit eine Polyneuropathie. Risikofaktor für eine frühe und schwere Polyneuropathie ist eine unzureichende Blutzuckereinstellung. Häufig wird die Polyneuropathie auch durch einen chronischen Alkoholkonsum ausgelöst. Weitere Ursachen sind Vitaminmangel (z.B. Vitamin B 12), rheumatische und andere autoimmunologische Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, genetische Erkrankungen, Infektionen, Medikamentennebenwirkungen und Vergiftungen (z.B. Blei, Quecksilber). Häufig kann die Ursache jedoch nicht genau festgestellt werden. Man spricht dann von einer „idiopathischen“ Polyneuropathie.
Der diabetischen Polyneuropathie kann durch ärztliche Kontrolluntersuchungen und exakte Einstellung der Blutzuckerwerte vorgebeugt werden. Da die Polyneuropathie chronische Entzündung im Bereich der Füße begünstigt, sollten Diabetiker:innen regelmäßige Fußpflege durch Podolog:innen in Anspruch nehmen. Außerdem sollten Giftstoffe gemieden werden, die die Nerven schädigen können. Hierzu gehört vor allem Alkohol.
Die Diagnose erfolgt durch Neurolog:innen im Rahmen einer genauen Erfragung der Krankheitsgeschichte sowie einer körperlichen Untersuchung. Bei dieser werden insbesondere die Kraft, die Reflexe und die Sensibilität (das Gefühl, z.B. Berührung, Vibration, Temperatur, Schmerz) überprüft. Anschließend wird meist eine Neurographie durchgeführt. Hierbei wird die Leitfähigkeit der Nerven durch Reizung mit einem leichten Stromimpuls gemessen. Ergänzt wird diese Untersuchung bedarfsweise durch eine Elektromyographie (EMG), bei der mit einer feinen Nadel in einen oder mehrere Muskeln hineingestochen wird. Dies ermöglicht es, durch Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Muskels Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit des Nervens, der ihn versorgt, zu ziehen.
Sofern möglich wird die Polyneuropathie durch eine ursächliche Therapie behandelt bzw. wird hiermit einer weiteren Verschlechterung vorgebeugt. Dazu gehört z.B die optimale Blutzuckereinstellung oder die Gabe eines Vitamins bei einem entsprechenden Mangel.
In Ergänzung zu der ursächlichen Therapie können symptomatische Therapien angewandt werden, deren Ziel es ist, die konkreten Symptome zu lindern. Häufig verursacht die Erkrankung beispielsweise brennende Scherzen. Diese können medikamentös, gelegentlich auch lokal (z.B. Salbe, Schmerzpflaster) behandelt werden. Manche Betroffene empfinden auch physikalische Maßnahmen (z.B. Stimulation der Füße mit einem Igelball) oder – im Fall von Gangunsicherheit – Krankengymnastik als hilfreich.
Betroffene mit Symptomen einer Polyneuropathie bzw. Gefühlsstörungen/Schwäche/Gangstörung wird empfohlen, einen Neurologen/ eine Neurologin aufzusuchen.
An wen kann ich mich wenden?
Im Evangelischen Klinikum Gelsenkirchen behandeln die Spezialist:innen der Klinik für Neurologie und Frührehabilitation Betroffene mit Polyneuropathie. Die ärztliche Leitung der Klinik für Neurologie und Frührehabilitation liegt bei Chefärztin Priv.-Doz. Dr. Judith Wagner.
Betroffene können sich an die Praxis für Neurologie im Medizinischen Versorgungszentrum wenden.